Carusel / Billboards (deutsch)

1,000 posters, 5 subjects in combination with 20 different advertising posters / Vienna, 1999

Self-Questioning of the Media
The “Monologue of Trust” focused on company logos, the “Test Pictures” concentrated on advertising images, and both asked the observer implicit questions: about “corporate identity” as well as about image-building, in advertising in general and in the characteristics of the poster medium in particular. This time we formulated the questions explicitly. We designed a poster that communicated nothing other than this: it asked a question, and that question always referred to another poster, the one affixed closest to it. The question was always one of the following five and it was always presented in combination with a big arrow pointing to the next poster: Does this poster bother you? Do you decide what hangs here? Does this poster influence your children? Does this poster have a hidden message? Does this poster deserve your attention?
Posters are an accepted part of our everyday lives in the city. They are never questioned. If this does happen, then only outside of the medium and for economic reasons: in marketing tests or possibly in opinion polls determining the most popular advertising poster of the month. The status quo of this medium is its affirmative structure: posters talk about brands and products, they speak to the observer directly, but they never ask questions about themselves. The essential criterion of the project was therefore its self-reference, the act of self-questioning within the medium itself, using posters of the same size. Being confronted with the questioning posters isolated the advertisements concerned from a community of poster subjects that otherwise had equal rights: it put them on another level. The passerby suddenly was forced to take notice, to interrupt his accustomed “perception”. The question posters challenged him directly and forced him to make a reflective judgment. Only in assuming this judging role did he really become an observer.


Karussell


Nach den Plakataktionen der vorhergehenden Jahre, die sich mit dem Werbemedium Plakat auseinandersetzten, realisierten wir im Januar 1999 ein weiteres derartiges Projekt. Der “Monolog des Vertrauens” beschäftigte sich mit den Firmenlogos, die “Testbilder” widmeten sich den Werbeimages und beide richteten implizit Fragen an den Betrachter: über corporate identity, über Image-Bildungen in der Werbung allgemein und Charakteristika des Plakatmediums im besonderen. Diesmal formulierten wir die Fragen ausdrücklich. Wir entwarfen ein Plakat, das nichts sonst kommunizierte als dies: eine Frage zu stellen, und zwar eine, die sich immer auf dessen unmittelbaren Nachbarn an der Werbewand bezog. Jeweils einer aus einem Katalog von fünf Fragesätzen wurde plaziert, immer in Kombination mit dem bezugnehmenden, großen Pfeilzeichen:

Stört Sie dieses Plakat ?
Bestimmen Sie was hier hängt ?
Beeinflußt dieses Plakat Ihre Kinder ?
Hat dieses Plakat eine versteckte Botschaft ?
Verdient dieses Plakat Ihre Aufmerksamkeit ?

Plakate sind einfach da. Sie begleiten uns tagtäglich als selbstverständlicher und nicht unwesentlicher Teil des Stadtbildes. Sie werden nicht in Frage gestellt. Wenn dies geschieht, dann ausschließlich außerhalb des Mediums und geleitet von wirtschaftlichen Interessen: in Marketingtests oder etwa in den Umfragen mancher Zeitungen nach dem beliebtesten Werbeplakat des Monats. Der Status quo dieses Mediums ist seine affirmative Struktur: Plakate verweisen auf Marken und Produkte, sprechen womöglich auch den Betrachter direkt an, sich selbst jedoch hinterfragen Plakate niemals. Die Selbstbezüglichkeit, das In-Frage-Stellen innerhalb des Mediums selbst und mit Plakaten derselben Größe, war demnach das entscheidende Kriterium dieses Projekts. Die Konfrontation mit den Frageplakaten isolierte die betroffenen Werbungen aus dem Verband der sonst gleichberechtigten Plakatsujets: Sie wurden gewissermaßen auf eine andere Ebene gestellt – die der Reflexion.

Beat Wyss schreibt in seinem Buch “Die Welt als T-Shirt” über den “den zivilisatorischen Auftrag moderner Werbung: Sie ist reine Redundanz; sie soll einstimmen in den Takt eines gesellschaftlichen Lebensgefühls. Werbung wirbt nicht für Neues, sondern für das Vertraute. Wer bei der bewußten, inhaltlichen Botschaft eines Plakats stehenbleibt, es streng ikonographisch betrachtet, versteht den Sinn der Werbung nicht. Werbung macht in ihrer Summe nicht aufmerksam, sondern zerstreut, indem sie den Konsumenten in ein diffuses Wohlgefühl versetzt. Der latente Werbezweck besteht darin, das Konsumklima als Trancezustand gesellschaftlich aufrechtzuerhalten.” Auf eine konträre Wirkung war “Karussel” angelegt. Hier wurde der Passant zu einem plötzlichen Aufmerken, einer Unterbrechung der gewohnten ‘Wahrnehmung’ gezwungen. Die Frageplakate forderten ihn unmittelbar heraus zu einem reflektierenden Urteil. Erst als Beurteilender aber wird er eigentlich zu einem Betrachter. “Die Markierungen markieren eine Unterscheidung, und die Unterscheidung ist das Instrument eines Beobachters”(Luhmann). Die Werbeplakate waren zum Gegenstand der Beobachtung geworden, einer Untersuchung, die der Passant selbst ausführte. top