Potemkins Haus

Fassadenprojekt MAK Wien, Juni - September 2004


Eine der Fassaden des MAK wird komplett eingerüstet. Am Gerüst wird eine blickdichte Plane verspannt. Die Plane ist bedruckt mit folgendem Bildmotiv: Von einer typischen anonymen Wohnblockarchitektur wurden drei Bauelemente bzw. Wandsegmente abfotografiert (Fenster bzw. Fenster mit Jalousien), die als Module auf dem Bild beliebig zueinander gesetzt und variiert werden können. Das historistische Gebäude verwandelt sich zu einem billigen Plattenbau.

Die, so könnte man sagen, primitive Beschreibung von Architektur hat freilich ihre Analogie in der Primitivität der Vorlage: Sie bildet sie ab. Sie wiederholt die krude Serialität, welche in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zunächst zum Credo der Philosophie modernistischer Architektur wurde, um dann unter dem Diktat der Ökonomie seit Jahrzehnten als effizienteste Methode das modulare Bauen von billigen Massenquartieren zu beherrschen - die hässliche Seite der weltweit zunehmenden Urbanisierung. Von einem anderen Blickwinkel her hat das Projekt einen weiteren Bedeutungsaspekt. Die großen Abdeckplanen oder Staubnetze an Baugerüsten werden - wenn dort Bilder auftauchen - ausschließlich als Werbeflächen verwendet: die monumentalste Form der kommerziellen Bilder oder Werbezeichen in den Städten. Von daher bringt das Projekt auch einen Verweis auf die Werbung mit sich: Das Abbild - Pars pro toto - der anonymen Zweckarchitektur der Vorstädte wird zusammengeführt mit einem Kommentar auf die immer nur redundante Fassade der Reklame.

Ein dritter Aspekt des Projekts schließlich eröffnet sich durch den örtlichen Kontext, das Gebäude selbst, dessen eine Fassade hier temporär zu der eines Sozialbaus mutiert. Durch einen einschneidenden Erlass wurde mit 1. Januar 2000 unter anderem auch das MAK in eine wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts übergeführt. Für das Museum bedeutete die Entlassung in die Selbstständigkeit im Wesentlichen eines: Geldnöte. Mit dem Budget sei das Sammeln nicht mehr zu finanzieren und somit das Museum als "kulturelles Gedächtnis" infrage gestellt, stellt Direktor Peter Noever fest. "Potemkin" trägt demgegenüber den (finanziellen) Istzustand nach außen und bildet ihn ab: Die Fassade des MAK wird zu einer drastischen Metapher für seine eigene ökonomische Situation.